Im Internet tauchten 2010 sehr eigenwillige und kraftvolle Kugelschreiberzeichnungen auf. In diesen ungemein sorgfältig ausfgeführten Kugelschreiberzeichnungen waren Flächen aufgeteilt, ausgespart oder differenziert mit Strukturen gefüllt, die gestrickt, gemasert, gerillt oder gewoben wirken. Dargestellt wird eine eigene Fantasiewelt. Fantasiewesen werden auf meist randvollen Bildflächen dargestellt. Sie wirken, als hätten sie sich auf schwerelosem Flug durch den Raum befunden, seien heftig bewegt und durcheinander gewirbelt worden und plötzlich erstarrt. Menschen, Tiere, Fabelwesen und Objekte werden in diesen fantasiereichen Zeichnungen kombiniert. Betrachtet man sie genau, fühlt man sich als Beobachter an Kinder erinnert, die spielerisch/zwanghaft auf dem Gehsteig herumhüpfen und dabei Schnittstellen um jeden Preis vermeiden: Wiederholungen gibt es in den Zeichnungen nicht, Figuren und Gesichter sind puzzleartig aus immer unterschiedlichen Elementen zusammengebaut.
Die Zeichnungen sind inszeniert wie Maskeraden. Naturgesetze sind aufgehoben und es herrscht Schalk, man stellt sich den heiter-amüsierten Zeichner vor, der sich als Schöpfer einer eigenen Welt betätigt: alles wirkt doppelbödig. Grosse und kleine Figuren, beliebig verkrümmt, verbogen oder gar bizarr verzerrt, spannen zusammen. Räumliche und anatomische Gegebenheiten werden ohne Skrupel verändert und der Bildkomposition untergeordnet – man befindet sich in einer Zwischenwelt, in der alles möglich ist.
Da werden Arme einer Person zu Zickzackelementen, die einmal am richtigen Ort, aber auch direkt dem Kopf angehängt sind. Strichfiguren schwingen sich durch den Raum und überlagern sich, korpulente Gestalten schweben durcheinander, als sei ihr Gewicht aufgehoben.
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt: z.B. sind zwei grosse Figuren, die von kleineren umtänzelt und umschwirrt werden, im Dialog zusammengewachsen und eins geworden. Es gibt sowohl einfache Zeichnungen als auch solche, die reichhaltig und detailliert ausgeschmückt sind. Ihre monochrome, grafische Umsetzung und der Verzicht auf Farbe, Räumlichkeit, Perspektive, Licht und Schatten verstärken ihre Wirkung. Es herrscht ein oszillierend irritierender Schwebezustand der Wahrnehmung: Traum? Spiel oder Scherz? Gesichter oder Masken? Bei Kolbs Gesichtern denkt man unweigerlich an Buster Keaton, den Komiker, der sein Publikum mit todernstem Gesicht zum Lachen brachte. Alles scheint in der Schwebe, im Ungewissen – die geheimnisvoll fremde und faszinierende Bildwelt des Zeichners Ernst Kolb hält noch viele Überraschungen bereit: seine Zeichnungen in charakteristischen Schraffur-Technik mit immer wieder unerwartetem Inhalt, sind noch zu entdecken. Sie sind nicht signiert oder datiert, da Kolb aber oft auf Rückseiten von Einladungen zu Veranstaltungen gezeichnet hat, die er vor Ort gesammelt hat, können viele seiner Zeichnungen grob datiert und gleichzeitig die Aktivitäten des kulturinteressierten, rastlosen Mannheimers zurückverfolgt werden.
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